„Zukunft gestalten, Vertrauen fördern, Vermittler stärken – Forderungen an die neue Bundesregierung“
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1. Vorwort
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) vertritt als größter Vermittlerverband in Deutschland die Interessen von über 40.000 selbständigen Versicherungs- und Bausparkaufleuten. In Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklungen und des Koalitionsvertrags fordert der BVK die neue Bundesregierung auf, die nachfolgenden Punkte des Leitantrags zu berücksichtigen.
2. Würdigung des Koalitionsvertrages
Nach Ansicht des BVK enthält der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD einige für die Vermittlerbranche gute Vereinbarungen. Insbesondere das klare Bekenntnis des Vertrages zum Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung bestätigt den BVK in seinem Bemühen, die Existenzgrundlage für Versicherungsvermittler dauerhaft zu sichern. Der Koalitionsvertrag setzt im Bereich der Altersvorsorge, im Politikfeld Arbeit und Soziales sowie in der Steuer- und Bürokratieentlastung positive Akzente.
So soll die private Altersvorsorge neben einer Reform der Riester-Rente durch eine Frühstartrente ab dem 1.1.2026 gefördert werden. Mit der Frühstart-Rente werden junge Menschen in begrüßenswerter Weise an die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge herangeführt.
Zu begrüßen ist auch, dass die zukünftige Koalition plant, die zweite Säule der Altersvorsorge, die betriebliche Altersvorsorge (bAV), attraktiver zu gestalten. Sie soll vereinfacht, entbürokratisiert und digitalisiert werden. Die Förderung der Geringverdiener soll verbessert und die Portabilität der bAV erhöht werden. Auch, dass sich Selbständige für ein Altersvorsorgeprodukt ihrer Wahl frei entscheiden können, ist lobenswert.
In die richtige Richtung geht auch die Einführung einer steuerfreien Aktivrente, auf die sich die Parteien verständigt haben. Damit wird das Weiterarbeiten von Senioren nach dem Erreichen ihrer Regelaltersgrenze steuerlich attraktiv. Das ist angesichts der nahenden millionenfachen Verrentungswelle der Babyboomer-Generation und des damit einhergehenden Fachkräftemangels das richtige Signal.
Im Bereich der Sachversicherung sollen zukünftig die Wohngebäudeversicherungen zu einem noch zu bestimmenden Stichtag obligatorisch mit einer Elementarschadendeckung angeboten werden, die die Kunden aktiv abwählen müssen, wenn sie sie nicht wünschen. Die langfristige Rückversicherbarkeit wird dabei durch eine staatliche Rückversicherung sichergestellt. Eine einheitliche Regulierung der Versicherungsbedingungen sieht der BVK allerdings kritisch.
Positiv sieht der BVK weiterhin, dass die Wirtschaft durch Steuersenkungen und das Abschaffen des Lieferkettengesetzes gefördert werden soll.
3. Rente
Die Altersvorsorge in Deutschland steht vor erheblichen Herausforderungen. Um die Renten langfristig zu sichern, muss die kapitalgedeckte Vorsorge stärker gefördert werden. Besonders die Riester-Rente benötigt eine umfassende Reform, um wieder attraktiver zu werden. Vereinfachte Strukturen, höhere staatliche Förderungen und eine flexiblere Nutzung sind dabei zentrale Stellschrauben.
Versicherungsvermittler spielen eine essenzielle sozialpolitische Rolle, indem sie Kunden als verlässliche Berater bei der Absicherung von Lebensrisiken und der Altersvorsorge unterstützen. Dennoch bleibt bisher eine Reform der Altersvorsorge seit Jahren aus – auch im jüngsten Wahlkampf wurde das Thema kaum beachtet. Angesichts wachsender Rentenlücken und zunehmender Altersarmut sind dringend Reformen erforderlich.
Die Vermittler setzen sich dafür ein, ihr Expertenwissen aktiv in den Reformprozess einzubringen. Der BVK hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode umfangreiche Reformvorschläge erarbeitet und wird diese auch der neuen Bundesregierung vorlegen. Im Mittelpunkt steht dabei eine grundlegende Reform des Riester-Systems mit weniger Bürokratie und mehr Effizienz. Eine Absenkung der Garantien in der Ansparphase ist ebenso überfällig wie die Einbeziehung der Selbständigen – beispielsweise durch eine Vorsorgepflicht wie im Koalitionsvertrag bereits festgelegt.
Der Koalitionsvertrag sieht dankenswerterweise eine Reform der Riester-Rente vor. Sie soll in ein neues Vorsorgeprodukt überführt und von bürokratischen Hemmnissen befreit werden. Außerdem sollen zwingende Garantien wegfallen und der Kreis der Förderberechtigten erweitert werden. Der BVK ist jedoch skeptisch, wie die neue Koalition die Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren will. Hier dürfen die Versicherungsvermittler nicht belastet werden.
Es ist höchste Zeit, Riester-Sparern endlich Klarheit über die Zukunft ihrer Altersvorsorge zu verschaffen. Kaum ein anderes Vorsorgemodell wurde in den letzten Jahren so intensiv diskutiert. Deshalb fordern wir eine rasche Umsetzung der Reformmaßnahmen.
Selbständige tragen eine besondere Verantwortung für ihre soziale Absicherung. Versicherungsvermittler sind in der Lage, maßgeschneiderte Lösungen für Selbständige zu entwickeln und sollten daher stärker in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Eine mögliche Altersvorsorgepflicht für Selbständige muss – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – flexibel gestaltet werden und Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Vorsorgeinstrumente zulassen.
4. Vergütung
Die aktuellen Vergütungssysteme gewährleisten eine qualitativ hochwertige Beratung für alle Bevölkerungsschichten. Eine Einschränkung oder gar ein Verbot von Provisionen würde insbesondere einkommensschwächere Verbraucher von der notwendigen Beratung ausschließen. Mischmodelle aus Provisionen und Honoraren sollten erhalten bleiben, um eine breite Wahlmöglichkeit für Verbraucher zu gewährleisten. Wir lehnen eine Regulierung der Vergütung ab, da diese zu Wettbewerbsverzerrungen oder einer einseitigen Bevorzugung bestimmter Vertriebswege führen würde.
Ein reiner Online-Vertrieb birgt die Gefahr von Fehlentscheidungen und mangelnder Absicherung. Versicherungsprodukte sind oft komplex und bedürfen individueller Beratung. Eine Kombination aus digitaler und persönlicher Beratung sichert eine bedarfsgerechte Absicherung für alle Bevölkerungsgruppen. Daher stehen wir weiterhin zum Grundsatz: Kein Vertrieb ohne Beratung.
5. Vertrauen in die sozialpolitische Expertise der Vermittler
Versicherungsvermittler leisten einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Absicherung der Bevölkerung. Sie sichern Existenzen, indem sie Privatpersonen und Unternehmen helfen, sich gegen existenzielle Risiken abzusichern. Die Politik sollte die gesellschaftliche Bedeutung dieses Berufsbildes anerkennen und aktiv fördern. Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung und beruflichen Qualifikation sind zu unterstützen. Die Vermittler sind zudem gerne bereit, im Rahmen der finanziellen Bildung ohne direkte Vertriebsinteressen mit ihrem Expertenwissen einen größeren Beitrag zu leisten. Finanzielle Bildung ist wichtig, da Versicherungsprodukte oft komplex sind und individueller Beratung bedürfen. Wir befürworten aufgeklärte Kunden, da dies die Beratung erleichtert. Die Aufklärung der jungen Generation sollte nicht nur teils fragwürdigen Empfehlungen durch Finfluencer überlassen werden, da dies die Gefahr von Fehlentscheidungen und mangelnder Absicherung birgt.
6. Gleiche Wettbewerbsbedingungen mit Finfluencern
Der BVK sieht die Einschätzung der BaFin kritisch, wonach Finfluencer nicht als Anlageberater eingestuft werden, da sie keine individuellen Empfehlungen geben und keinen direkten Kontakt zu Followern haben. Dadurch unterliegen sie nicht den strengen Regularien für Vermittler.
Folgt man der Auffassung der BaFin, kommen die Regeln zur Marktmissbrauchsverordnung (MAR) zur Anwendung. Diese Regelungen sind dann einschlägig, wenn Finfluencer für sich in Anspruch nehmen, Anlageempfehlungen oder Anlagestrategieempfehlungen zu geben. Nach Art. 20 Abs. 1 MAR müssen diese Informationen objektiv dargestellt und die möglichen Interessenkonflikte offengelegt werden.
Auf europäischer Ebene plant das EU-Parlament im Rahmen der Retail Investment Strategy (RIS) eine strengere Regulierung von Finfluencern, um den Verbraucherschutz zu stärken.
Der BVK wird hier auf europäischer und nationaler Ebene für Rechtsklarheit sorgen und für gleiche Wettbewerbsbedingungen aller Marktakteure kämpfen, um Verbraucher auch im digitalen Raum zu schützen.
7. Bürokratieabbau und Vermittleraufsicht
Die zunehmende Bürokratisierung stellt Vermittlerbetriebe vor große Herausforderungen. Hier zählen wir auf die neue Bundesregierung. Ein Regulierungsmoratorium sollte eingeführt werden, um bestehende Vorschriften zu evaluieren, bevor neue Vorgaben beschlossen werden. Bürokratische Vorgaben sind auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit zu prüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Zudem würde eine Verlagerung der Aufsicht über Vermittler auf die BaFin zu mehr Bürokratie und hohen Kosten führen. Die aktuelle Aufsicht durch die Industrie- und Handelskammern hat sich bewährt und sollte beibehalten werden.
8. Zukunft gestalten
Künstliche Intelligenz bietet Chancen, darf aber nicht zu einer Einschränkung der individuellen Beratung führen. Ein ausgewogenes regulatorisches Umfeld ist entscheidend, um Innovation zu fördern und Risiken zu minimieren. Die Vermittler haben sich frühzeitig zum Thema KI mit einem Positionspapier positioniert und stehen dem Thema aufgeschlossen gegenüber. Wir wollen die digitale Teilhabe und Zukunft aktiv mitgestalten.
Der BVK appelliert an die neue Bundesregierung, diese Forderungen zusammen mit unseren Forderungen zu den Koalitionsverhandlungen in die politischen Entscheidungen aufzunehmen, um die Zukunft der Versicherungsvermittlung positiv zu gestalten, das Vertrauen der Verbraucher zu fördern und die Vermittler in ihrer wichtigen Rolle zu stärken.
9. Fazit
Die Versicherungsvermittler begrüßen den Ansatz des Politikwechsels durch die neue Bundesregierung und erwarten, dass die Vorhaben zur Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge, zur Bürokratie- und Steuerentlastung sowie die Reform der sozialen Sicherung zügig und nachhaltig umgesetzt werden. Entscheidend ist für den BVK das klare Bekenntnis der neuen Bundesregierung zum Provisionssystem und einer Entlastung des Berufsstands bei Regulierungen, Aufsichten und Kontrollen.
Denn die Versicherungsvermittlung spielt eine zentrale Rolle für die soziale Absicherung in Deutschland. Versicherungsvermittler unterstützen Verbraucher und Unternehmen dabei, sich gegen existenzielle Risiken abzusichern und eine nachhaltige Altersvorsorge aufzubauen. Die neue Bundesregierung ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine verlässliche, qualitativ hochwertige und unabhängige Beratung auch in Zukunft gewährleistet bleibt.
Der BVK fordert daher eine entschlossene Reform der Altersvorsorge mit einer praxistauglichen Neugestaltung der Riester-Rente und einer flexiblen Vorsorgemöglichkeit für Selbständige. Ebenso ist eine sachgerechte Vergütungsstruktur essenziell, um allen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu professioneller Beratung zu ermöglichen.
Zudem müssen Bürokratieabbau und eine praxisnahe Regulierung Priorität haben, damit Vermittlerbetriebe nicht unnötig belastet werden.
Die Politik sollte die Expertise der Vermittler anerkennen und sie aktiv in Entscheidungsprozesse einbinden. Die Bedeutung finanzieller Bildung muss gestärkt werden, um Verbraucher frühzeitig über sinnvolle Absicherungsstrategien aufzuklären. Gleichzeitig muss die Regulierung neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz mit Augenmaß erfolgen, um Innovationen zu fördern, ohne den persönlichen Beratungsansatz zu gefährden.
Der BVK appelliert an die Bundesregierung, diese zentralen Anliegen in ihre politische Agenda aufzunehmen. Nur durch kluge Reformen, eine verlässliche Regulierung und eine Stärkung der Vermittlerbranche kann die Zukunft der Versicherungsvermittlung gesichert und das Vertrauen der Verbraucher nachhaltig gestärkt werden.
Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK
Bonn, 5. Juni 2025